
Inzwischen sind die Brände weitgehend unter Kontrolle, die in der Nacht im griechischen Flüchtlingslager Moria ausbrachen. Wie es mit den Bewohnern weitergeht, ist unklar. Das Lager stand wegen mehrerer Corona-Fälle unter Quarantäne.
Es war nicht das erste Mal, dass es im Flüchtlingslager Moria auf die griechischen Insel Lesbos gebrannt hat - doch so heftig war es noch nie. In der Nacht stand das Camp fast vollständig in Flammen, es wurde massiv verwüstet. Windböen um die 60 Kilometer pro Stunde machten der Feuerwehr die Löscharbeiten schwer, inzwischen hat sie die Brände nach Angaben von ARD-Korrespondent Thomas Bormann aber weitgehend unter Kontrolle gebracht.
Auch Wohncontainer brannten, weshalb die Behörden die Evakuierung des Lagers anordneten. Viele der Migranten hätten bereits von selbst versucht, sich in die umliegenden Hügel in Sicherheit zu bringen, so die Einsatzkräfte. Über mögliche Verletzte oder gar Tote gibt es bislang keine Informationen. Regierungschef Kyriakos Mitsotakis berief eine Krisensitzung ein.
Unklar, wie es mit den Migranten weitergeht
Das Feuer habe sich im und rund um das unter Quarantäne stehende Camp ausgebreitet, sagte der Bürgermeister von Mytilini, Stratos Kytelis, dem privaten Radiosender Skai, wie die Nachrichtenagentur AP schreibt. Mehr als 12.000 Migranten aus Moria würden aktuell auf einer Autobahn von der Polizei überwacht. "Es ist eine sehr schwierige Situation, weil einige von jenen, die da draußen sind, positiv auf das Coronavirus getestet worden sind", so der Bürgermeister.
Am frühen Morgen hatten sich Bereitschaftspolizisten rund um das Lager und entlang einer fünf Kilometer langen Route zu Mytilini postiert. Die Stadt ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum von Lesbos. Mit dem Vorgehen wollten die Einsatzkräfte offenbar verhindern, dass Migranten den Hafen von Mytilini erreichen.
Im griechischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ERT sagte Kytelis, man wisse nicht, wo die Menschen nun untergebracht werden sollten, Tausende seien obdachlos. Auch für die Einheimischen sei die Situation eine enorme Belastung.
Verschiedene Angaben über Ursachen
Über die Ursachen der Brände gibt es unterschiedliche Angaben: Manche Lagerbewohner sprachen von Brandstiftung von Inselbewohnern. Anderen Berichten zufolge hatten Migranten selbst Feuer gelegt und danach die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert. Einsatzkräfte bestätigten, dass einige Lagerbewohner "Widerstand" geleistet hätten. Laut ARD-Korrespondent Thomas Bormann berichten lokale Medien, dass es am Abend heftige Ausschreitungen im Lager gegeben habe, aus Protest gegen die Lockdown-Maßnahmen. Moria steht seit vergangener Woche unter Quarantäne, weil inzwischen mindestens 35 Migranten positiv auf das Coronavirus getestet wurden.
Manche Migranten hätten das Lager verlassen wollen, um sich nicht mit dem Virus anzustecken, meldete die halbstaatliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA. Einige Infizierte und ihre Kontaktpersonen, die isoliert werden sollten, hätten sich hingegen geweigert, das Lager zu verlassen und in Isolation gebracht zu werden.
Seit Jahren überfüllt
Das Flüchtlingslager Moria ist seit Jahren überfüllt. Derzeit leben dort nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums rund 12.600 Flüchtlinge und Migranten - bei einer Kapazität von gerade mal 2800 Plätzen. Immer wieder gab es Proteste gegen die Zustände im Camp.
Fordungen nach rascher Hilfe von der EU
Die Verantwortung für die jüngste Eskalation sieht die Hilfsorganisation medico international bei der EU. "Man kann Menschen nicht jahrelang im Dreck leben lassen, ihnen Rechte vorenthalten, sie schließlich ungeschützt einer Pandemie aussetzen und dann überrascht sein, wenn sie gegen ihre Lebensbedingungen aufbegehren", so die Referentin für Flucht und Migration, Ramona Lenz. "Nach diesem verheerenden Brand darf Europa nicht länger die Augen verschließen und muss Moria und die anderen Lager auf den griechischen Inseln endlich evakuieren."
Ähnlich äußerte sich die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. "Es ist erbärmlich, dass die Bundesregierung nur 928 Schutzsuchende aufnehmen will. Für Tausende gibt es keine Lösung, obwohl Deutschland und andere EU-Staaten sie locker aufnehmen könnten", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt.
Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp forderte ebenfalls eine rasche Reaktion von der Bundesregierung und der EU. Die Bundesländer hätten bereits Hilfe angeboten, sagte der FDP-Politiker. "Der Bund muss die Koordination übernehmen. Horst Seehofer und Heiko Maas sind bisher untätig geblieben. Das muss sich sofort ändern." Da Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne habe, trage es eine besondere Verantwortung. "Wenn die EU nicht in der Lage ist, wenige Tausend Migranten menschenwürdig unterzubringen, ist das eine Bankrotterklärung der europäischen Werteordnung."
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sagte, Moria müsse aufgelöst werden. "Bei meinen beiden Besuchen auf Lesbos war die Situation in Moria schon völlig inakzeptabel, nach diesem Brand jetzt vor dem Winter wird es Zeit, diesem unwürdigen, lebensgefährlichen Schauspiel ein Ende zu setzen", sagte der SPD-Politiker. Die Menschen sollten auf die EU-Staaten verteilt werden, damit sie dann ihr Asylverfahren durchlaufen könnten.
September 09, 2020 at 02:03PM
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